Hi, ich heiße Sarah.
Ich komme aus Ungarn, Norwegen und England, bin überall und nirgendwo aufgewachsen. Ich bin immer im Gange und kann nicht stillstehen, denn der Boden zwischen meinen Fersen fühlt sich an wie Treibsand. Schreibt man das so? Dass etwas wie Treibsand sich anfühlt? Ist solch eine Metapher übersetzbar? Das prüf ich schnell nach. “Halten wir daran fest, so haben wir Felsengrund unter unseren Füßen, andernfalls begeben wir uns auf den Treibsand menschlicher Spekulationen.” So schreibt jemand: Menschliche Spekulationen als Treibsand. Diese Formulierung klingt gut. Sehr klug. Philosophisch. Dann: Dass Treibsand der ? .... Was soll denn hier drin? Ich brauche ein Wort, das die Eigenschaft des Bodens verkörpert. Bodentlichkeit? Ich glaube, das ist ein echtes Wort, aber ich verkomplizierte alles. Dass Treibsand der Bondentlichkeit. Was für ein Kopfschmerz. Nein, ich erzähle nur eine einfache Geschichte. Ich hatte kindisch Norwegisch bevor ich Deutsch lernen musste, weil ich immer so gerne mit meiner norwegischen Großmutter Zeit verbracht habe, und sie weigerte sich Englisch zu sprechen. Sie verstand alles, aber wir durften nur in ihrem Zuhause Norwegisch sprechen. Eine einfache Regel: Ihre Kohärenz war einer ihrer wunderschönen Reize. Mein Vater sprach kein Norwegisch. Jedoch musste meine Mutter Ungarisch lernen, während wir in Budapest lebten. Da war sie sehr oft alleine mit uns Zuhause, als mein Vater immer überall bei der “Story-Jagd” durch Osteuropa und die Sowjetunion verreisen musste. Wieder diese redaktionelle Bearbeitung: “Story-Jagd?” Verfolgungsjagd der Geschichten? Diese Deutung ist so hesslich. Ach, Geschichts Jagd. Das passt. Meine Mutter musste in Budapest mit zwei kleinen Kindern auskommen. Freunde von Freunden haben geholfen, aber manchmal nicht so ernsthaft. Ungarische Menschen sind sehr wörtlich und äußerst überzeugend mit ihren Wörtern. Zudem war das System, in dem sie zu überleben gelernt haben, einfach anderes als was meine Mutter kannte. Wenn man in einem System erwächst, dass das Vertrauen meistens fördert, weisst man nicht wie, und wo, und wann man die Regeln des unzuverlässigen Systems beugt, damit man sich um sich selbst richtig kümmert. Meine Mutter war zu nett und zu naiv. Ausbeutbar. Menschen, die an zügellose Korruption gewöhnt sind, beziehen sich einfach anderes auf Regeln und Verbrechertum. Da die für sie geltenden Regeln kein Sinn machen, befolgen sie nur ihren eigenen Kodex. Man vertraut niemandem außer sich selbst. Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie einmal von engen Freunden überzeugt wurde, ein Auto aus Österreich ins Ungarn zu schmuggeln. Wollte nur hilfreich sein. Jetzt lacht sie darüber, aber man hat dass ein großes Drama ausgelöst, als mein Vater von seinen Reisen zurückkam. Jetzt beugt sie gerne Regeln, die sie stört - vielleicht ein bisschen zu gerne. Und ich? Ich habe keinen Boden. Alles hängt davon ab, wo und mit wem ich fliege.
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Sarah KaracsA Berlin-based writer engages in the study of belonging and in-between places after years spent faraway from 'home'. Archives
March 2023
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